Parlamentskreis Hund im Bundestag

In den republikanischen Räumen des Souveräns, wo sonst nur das Rascheln von Aktenpapier und das gedämpfte Murmeln politischer Debatten zu vernehmen ist, könnte bald ein neuer Klang ertönen: das leise Tappen von Hundepfoten auf dem ehrwürdigen Betonboden der Bundestagsliegenschaften.

Ein neu gegründeter „Parlamentskreis Hund” – eine Koalition der Hundefreunde quer durch alle Fraktionen – hat sich auf die Fahnen geschrieben, dem besten Freund des Menschen Einlass in die Büros der Volksvertreter zu gewähren. Es ist nicht der erste Versuch, die vierbeinigen Gefährten in den Olymp der deutschen Politik zu hieven. Schon in früheren Legislaturperioden gab es immer wieder Bestrebungen, die pelzigen Begleiter aus ihrem Exil zu befreien.

Die Idee mag manchem als Hundsverlocherei erscheinen, doch sie ist zeitgemäßer denn je. In einer Welt, in der Bürohunde längst zum Alltag vieler Unternehmen gehören, mutet das strikte Hundeverbot im Bundestag geradezu anachronistisch an. Sollte nicht gerade das hohe Haus der Republik, diese gigantische Ansammlung von Büroräumen, mit gutem Beispiel vorangehen?

Gewiss, die Entscheidungen, die hier getroffen werden, sind oft von großem Gewicht. Doch sind sie wirklich gewichtiger als die in anderen Bürohäusern? Und könnte nicht gerade die Anwesenheit eines treuen Vierbeiners dazu beitragen, die oft verhärteten Fronten aufzuweichen? Man stelle sich vor: Während im Plenarsaal die Fetzen fliegen, könnte ein kurzer Austausch über das seidige Fell des vierbeinigen Begleiters im Fahrstuhl vielleicht Brücken bauen.

Bertholt Brecht, dessen Hund Rolf bekanntlich sein Lieblingstier war, schrieb einst in seinem „Alfabet” von 1934:

Mariechen auf der Mauer stund
Sie hatte Angst vor einem Hund.
Der Hund hatte Angst vor der Marie
Weil sie immer so laut schrie.

– Bertholt Brecht

Vielleicht würde die Anwesenheit von Hunden im Bundestag ja auch dazu führen, dass so mancher politische Lautsprecher seine Lautstärke mäßigt – aus Rücksicht auf die empfindlichen Hundeohren. Die Sehnsucht nach vierbeiniger Gesellschaft in den Gängen des Bundestags ist keineswegs ein Novum der jüngsten Zeit. Schon im Jahre 2013 wagte eine Gruppe von etwa 15 Abgeordneten aus den Reihen von SPD, Grünen und Linken einen kühnen Vorstoß. Sie stellten beim damaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert den Antrag, ihre treuen Gefährten mit an den Arbeitsplatz bringen zu dürfen. Heinz Paula, seinerzeit Tierschutzbeauftragter der SPD-Fraktion, argumentierte leidenschaftlich für die positive Ausstrahlung der Vierbeiner auf ihre Umgebung. Doch nicht alle Volksvertreter teilten diese Begeisterung. Der CDU-Politiker Franz-Joseph Holzenkamp warnte gar vor einer „Tierliebe in absurder Form” und malte das Schreckensszenario von Hamsterkäfigen im Plenarsaal und durch die Gänge streunenden Katzen an die Wand. Dieser erste Versuch, die Hausordnung des Bundestags für pelzige Mitarbeiter zu öffnen, versandete – doch er legte den Grundstein für die heutige Debatte und zeigte, dass die Idee des „Kollegen Hund” schon lange in den Köpfen und Herzen mancher Abgeordneter schlummert.

Und wer weiß, vielleicht würden wir dann ganz neue Seiten an unseren Volksvertretern entdecken. Der harte Hund aus dem Innenausschuss, der plötzlich ganz sanft mit seiner kalbsgroßen deutschen Dogge im Aufzug parliert? Der Haushaltspolitiker, der beim Gassigehen im Tiergarten über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens sinniert?

Es wird Zeit, dass auch unter die kartonbraunen Schreibtische der Abgeordneten Hundeschnauzen ihre Wege finden. Denn wenn der Bundestag den Anspruch hat, die Gesellschaft zu verstehen und zu repräsentieren, dann muss er auch offen sein für die treuen Begleiter, die für so viele Menschen längst zum Alltag gehören.