Kolumne

Standby-Stillleben “Sommerpause”

Eine Ampel steht einsam auf einer Kreuzung - Microsoft Designer

In diesen Sommertagen verwandelt sich die Metropole Berlin in ein Gemälde der Abwesenheit. Das sonst so geschäftige Regierungsviertel, Zentrum der Macht, liegt wie verzaubert unter einer Glocke sommerlicher Lethargie. An der Kreuzung vollführt eine Ampel ihren einsamen Tanz – ein Stehblues aus rot, gelb, grün. Doch kein Automobil wartet darauf, den schwarzen sonnengewärmten Asphalt zu queren – nicht mal ein blaues.

Die Berliner scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben, als hätte ein Hexer einen Spruch gesagt. Das politische Berlin hat sich selbst ins Exil geschickt. Telefone verbinden vergeblich in die Anschlussstelle, Nachrichten verhallen ungelesen im modernen Mobilfunknetz. Selbst der Coiffeur des Bundespräsidenten hat seine Schere an den Nagel gehängt – Sommerurlaub.

Die Armada der Fahrbereitschaft ist verdunstet, als wäre sie nie gewesen. In Postfächern wichtiger Büros wachsen Papierberge, getürmt aus Hochglanzmagazinen, bis sie zu leise zusammenfallenden Monumenten der Geschäftigkeit werden. Wer in diesen Tagen die Gesellschaft von Kollegen meiden möchte wie der Teufel das Weihwasser, der pilgert am besten nach Berlin-Mitte. Hier herrscht die hohe Kunst der Absenz – während die Lichtzeichenanlage, treu wie ein alter Schäferhund, weiter ihre Pflicht erfüllt und sehnsüchtig aufs Wiederkehren des politischen Zirkus wartet.

Diese Kolumne habe ich für die Rubrik “Berliner Schnitzel” in der Agrarzeitung als deren Korrespondent verfasst.