Meinung zur Sachpolitik im Bundestag

Merz’ falsches Bauernspiel

Die Union probt den Ausbruch – mit großen Gesten, kleinen Chancen und einem agrarpolitischen Schaufensterantrag. Friedrich Merz, einst aus dem Amt gedrängt, formt die Partei nun nach seinem Bild. Während die Bauern Substanz fordern, erstickt das Parlament in Inszenierung. Ein konservativer Monolith wächst – und mit ihm die Frage: Wer bleibt auf der Strecke?

Die Union nutzt die verbleibende Parlamentszeit für Initiativen, die keine Chance mehr auf Umsetzung haben. Die Union probt den Ausbruch aus der Opposition. Friedrich Merz, im dritten Anlauf zum Parteiführer neuen Typs avanciert, formt die Partei nach seinem Bild – ein spätes Echo jenes Machtwillens, der ihn vor zwanzig Jahren aus dem Amt des Fraktionschefs schob. Mit der „großen und gewaltigen Idee“, Bundeskanzler zu werden, nimmt Merz – gleich einem Thälmannschen Revolutionär – die Leiden seiner Partei und die Enttäuschung seiner potenziellen Wähler billigend in Kauf. Die Sache ist seine Sache – und schließlich größer.

Das erklärt die Dynamik dieser Tage: In der letzten regulären Sitzungswoche – viele andere wurden auf Betreiben der Union gestrichen – erreicht ein hastig aufgewärmter Parteitagsbeschluss als 10-Punkte-Plan zur Landwirtschaft das Parlament. Ausgerechnet jene Fraktion, die der Ampel stets legislative Hauruck-Aktionen vorwarf, verfällt nun selbst in hektischen Aktionismus.

Während die Union beim Energiegesetz den Konsens sucht, präsentiert sie der Landwirtschaft einen Schaufensterantrag im Wahlkampf. Die Bauern haben in den vergangenen Monaten unmissverständlich demonstriert: Sie erwarten Substanz statt Symbolik, verlässliche Partner statt politischer Hausierer mit taubem Korn im Beutel. Die Landwirtschaft ächzt unter Klimawandel, Biodiversitätsverlust und ökonomischem Druck. Diese Herausforderungen verlangen mehr als hastige Fraktionsbeschlüsse zwischen Wahlkampfständen und Marktplatzpodien.

Die Strategie verfängt aber – während das Parlament Luftnummern bearbeitet, erstickt die Grundsatzarbeit. Merz inszeniert sein Theater der großen Gesten – und selbst diese Zeilen bezeugen seinen PR-Erfolg. Während die Augen eher auf Sarah Wagenknechts BSW-Polemik gerichtet sind, vollzieht sich in der politischen Mitte eine bemerkenswerte Veränderung. Wie einst Thälmann seine Partei zu einem monolithischen Block formte, in dem andere Positionen keinen Platz mehr fanden, entsteht unter Merz nun eine Partei neuen Typs – diesmal überraschend im konservativ-bürgerlichen Milieu. Leidtragende sind die Fachpolitiker, denn die Landwirtschaft wird hier zur Kulisse der Merz-Inszenierung, die viel über den Zustand der Union verrät.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Agrarzeitung 05.2025.
Dieser Text wurde am 2. Februar 2025 in Berlin veröffentlicht.
Patrick Pehl
Profilbild von Patrick Pehl
Patrick Pehl spielte eine zentrale Rolle bei der Aufarbeitung der Berateraffäre im Bundestag, insbesondere als führender Chronist des Untersuchungsausschusses. Als freier Journalist begleitete er den Ausschuss intensiv und berichtete umfassend über jede Sitzung. Pehl ist bekannt für seine detaillierte Parlamentsberichterstattung und hat sich den Spitznamen "Mister PUA" (Parlamentarischer Untersuchungsausschuss) verdient. Er initiierte auch einen Podcast zur Berateraffäre, in dem er die Entwicklungen des Ausschusses einem breiteren Publikum zugänglich macht. Seine Arbeit erfordert ein tiefes Verständnis der politischen Strukturen, das er durch jahrelange Erfahrung erlangt hat.