Medienkritik

ZDF-Hofbericht: „Inside CDU“

ZDF-Hofbericht: „Inside CDU“

Das ZDF bewirbt seine Dokumentarserie als exklusiven Einblick in die CDU. Tatsächlich zeigt „Inside CDU“ jedoch, wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk zur Imagepflege einer Partei wird – und dabei seinen kritischen Auftrag verfehlt.

Das ZDF bewirbt seine fünfteilige Dokumentarserie „Inside CDU“ als exklusiven Einblick in „einen der außergewöhnlichsten Wahlkämpfe der vergangenen Jahrzehnte“. Was die Zuschauer jedoch zu sehen bekommen, ist weniger eine kritische Dokumentation des politischen Prozesses als vielmehr eine aufwendig produzierte Imagekampagne, die die Grenzen zwischen Journalismus und Public Relations bis zur Unkenntlichkeit verwischt.

Das Keyvisual der Serie verrät mehr über ihre Intention als jeder Pressetext. Düster-dramatische Farben, mystischer Nebel und eine Personenkomposition, die eher an ein Krimi-Drama erinnert als an eine sachliche Politikdokumentation. Die visuelle Sprache orientiert sich unverkennbar an Serien wie „House of Cards“ – Fiktion und abzubildende Realität verschwimmen zu einem ästhetisierten Politainment-Produkt.

Diese Inszenierungsstrategie durchzieht die gesamte Serie. CDU-Politiker Thorsten Frei joggt vor sechs Uhr morgens durch Berlin, vorbei an den Symbolen der Hauptstadt und begleitet von Sicherheitspersonal. Das ist keine authentische Dokumentation eines Tagesablaufs. Das ist kalkulierte Imagearbeit. Die Kamera wird zum Komplizen bei der Konstruktion heroischer Narrative: Der läuternde Politiker, die kämpferische junge Abgeordnete, der mächtige Strippenzieher im Hintergrund. Eine intrikate Choreografie der Macht.

Embedded Journalism als Methode der Unkritik

Das zentrale Problem von Inside CDU liegt in der vollständigen Aufgabe journalistischer Distanz. Die Filmemacher Steffen Haug und Denise Jacobs haben sich so tief in die Strukturen der CDU einbetten lassen, dass sie zu Chronisten statt zu Analytikern wurden. Vertrauliche Strategiemeetings, Morgenbriefings auf höchster Ebene, interne Gespräche – all das wird gezeigt. Aber welchen Preis die Partei für diese Transparenz gefordert hat, bleibt im Dunkeln.

Inside CDU - Philipp Amthor dreht einen Wahlwerbeclip in der Bibliothek des Konrad-Adenauer-Hauses (KAH)
Inside CDU – Philipp Amthor dreht einen Wahlwerbeclip in der Bibliothek des Konrad-Adenauer-Hauses (KAH) © ZDF / Felix Korfmann 2025

Diese Art des „Embedded Journalism“ produziert eine gefährliche Scheinauthenthizität. Politische Prozesse, die normalerweise hinter verschlossenen Türen stattfinden, werden plötzlich öffentlich. Aber eben nicht ungefiltert, sondern strategisch kuratiert. Was als Transparenz verkauft wird, ist in Wahrheit eine neue Form der Intransparenz: Die Illusion des Einblicks verschleiert, dass wesentliche Entscheidungsprozesse nach wie vor im Verborgenen bleiben.

Politik als Business-Entertainment

Die Serie vermittelt ein verheerendes Bild von Politik als reinem Geschäftsbetrieb. Karrierestrategien dominieren über Sachpolitik. Persönliche Wiederwahl über gesellschaftliche Gestaltung. Machterhalt über demokratische Verantwortung.

Catarina dos Santos wird primär als ambitionierte Aufsteigerin porträtiert, die um ihr Aachener Direktmandat kämpft – von den konkreten Problemen ihrer Wähler erfahren wir praktisch nichts. Ihre Fürsorge fürs Wahlkampfteam wird in inszenierten Szenen mit Pizzalieferungen dokumentiert, während die tatsächlichen Herausforderungen ihres Wahlkreises ausgeblendet bleiben.

Friedrich Merz (CDU), der einen Kulturkampf für seine Kanzlerschaft in der CDU geführt hat, erscheint als patriarchale Führerfigur, dessen politische Niederlagen der Vergangenheit systematisch ausgeblendet werden. Das Scheitern gegen Angela Merkel, die kommunikativen Pannen, die mehreren Anläufe für den CDU-Vorsitz — alles getilgt. Stattdessen wird das Narrativ des geläuterten Politikers bedient. Eine bemerkenswerte Form der Devianz, die Merz‘ tatsächliche Biografie zugunsten einer heroischen Erzählung verwirft.

Carsten Linnemann wird als strategischer Mastermind inszeniert, dessen intrikate Planungen den Wahlsieg herbeiführen. Die mühsame Realität politischer Arbeit weicht einem glamourösen Bild von Macht und Einfluss.

ZDF Inside CDU - Friedrich Merz gewinnt Wahlkreis, den Hochsauerlandkreis.
ZDF Inside CDU – Friedrich Merz gewinnt Wahlkreis, den Hochsauerlandkreis. © ZDF / Felix Korfmann

Außerhalb des Kamerablicks bleibt wenig

Besonders problematisch ist, was die Serie nicht zeigt. Die prekäre Situation von Arbeitnehmern kommt allenfalls am Rande vor. Fragen des Mindestlohns, des Rentenniveaus oder der Wohnraumknappheit? Fehlanzeige. Stattdessen konzentriert sich die Dokumentation auf die ewigen Scheinkonflikte um Migration und Sicherheit – Themen, die zwar medial dankbar sind, aber die eigentlichen gesellschaftlichen Herausforderungen überlagern.

Die tatsächliche Gremienarbeit bleibt vollständig ausgeblendet. Ausschusssitzungen? Lobbyistentermine? Was als Politik präsentiert wird, ist ein oberflächliches Wahlkampfauftrittspektakel und Strategiebesprechungen. Die mühsame Kleinarbeit der Demokratie findet in dieser glitzernden Politikwelt nicht statt. Die Kompromissfindung in den Fachausschüssen, die zähen Verhandlungen um Gesetzesdetails — unsichtbar.

Einen Kontrapunkt zu dieser Inszenierung lieferte bezeichnenderweise die heute-show: In einem Beitrag über SPD-Kanzlerkandidatin Claudia Moll zeigte Fabian Köster, wie authentische Bürgernähe aussehen kann. Fernab von strategischen Inszenierungen.

Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ÖRR

Für das ZDF als öffentlich-rechtliche Anstalt ist „Inside CDU“ ein bedenkliches Signal. Statt den Bildungsauftrag zu erfüllen und politische Prozesse kritisch zu beleuchten, wird hier gehobenes Politainment produziert. Demokratische Strukturen werden als Unterhaltungsformat vermarktet. Die Milliardenbudgets des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden eingesetzt, um Politiker bei der Imagepflege zu unterstützen.

Eine fragwürdige Verwendung von Gebührengeldern.

Besonders problematisch ist dabei die Wechselwirkung zwischen Hauptstadtjournalismus und Hauptstadtpolitik. Journalisten, die ohnehin in engem Kontakt zu ihren Berichtsobjekten stehen, begleiten diese nun auch noch in deren privatesten Momenten. Die letzte kritische Distanz verschwindet. Das Ergebnis ist eine Form der Hofberichterstattung, die demokratietheoretisch bedenklich ist.

Demokratiepädagogisch

Junge Zuschauer lernen aus Inside CDU, dass Politik ein Geschäft wie jedes andere ist. Ein Karrieresprungbrett für Ehrgeizige, die sich in den Berliner Machtzirkeln nach oben arbeiten. Diese Darstellung verstärkt nicht nur politische Apathie, sondern vermittelt auch ein fundamental falsches Verständnis demokratischer Partizipation.

Politik wird zur Bühne für Einzelkämpfer. Nicht zur kollektiven Gestaltung gesellschaftlicher Zukunft. Die Serie bedient damit jene Entfremdung zwischen Politik und Bürgern, die sie eigentlich überwinden könnte. Statt zu zeigen, wie politische Entscheidungen das Leben konkreter Menschen beeinflussen, zelebriert sie die Selbstbezüglichkeit eines politischen Systems, das sich primär um sich selbst dreht.

Verpasste Chance

Inside CDU hätte die Chance geboten, die Mechanismen politischer Macht transparent zu machen und dabei kritische Fragen zu stellen: Wessen Interessen werden vertreten? Wie entstehen politische Entscheidungen wirklich? Welche Rolle spielen Lobbyisten und wirtschaftliche Interessen?

Stattdessen liefert das ZDF eine aufwendig produzierte Werbesendung für eine Partei, die sich gerade anschickt, die Regierung zu übernehmen.

Das Vertrauen in demokratische Institutionen schwindet, populistische Bewegungen punkten mit einfachen Antworten – und ausgerechnet jetzt wäre kritischer Journalismus wichtiger denn je. Die Dokuserie zeigt stattdessen, wie sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie unterwirft und dabei seinen gesellschaftlichen Auftrag verfehlt. Das ist nicht nur medienjournalistisch bedenklich. Es ist ein Symptom für den Zustand des Landes und des Staates.

Dieser Text wurde am 1. Juni 2025 in Berlin veröffentlicht.
Patrick Pehl
Profilbild von Patrick Pehl
Patrick Pehl spielte eine zentrale Rolle bei der Aufarbeitung der Berateraffäre im Bundestag, insbesondere als führender Chronist des Untersuchungsausschusses. Als freier Journalist begleitete er den Ausschuss intensiv und berichtete umfassend über jede Sitzung. Pehl ist bekannt für seine detaillierte Parlamentsberichterstattung und hat sich den Spitznamen "Mister PUA" (Parlamentarischer Untersuchungsausschuss) verdient. Er initiierte auch einen Podcast zur Berateraffäre, in dem er die Entwicklungen des Ausschusses einem breiteren Publikum zugänglich macht. Seine Arbeit erfordert ein tiefes Verständnis der politischen Strukturen, das er durch jahrelange Erfahrung erlangt hat.