Die Sitzungswoche in ihrem Lauf

Ein Hund während der Sitzungswoche im Regierungsviertel am Rrichstagufer in Berlin. Im Hintergrund der Reistag.

Neu in zehn117-Berlin? Dann werden Sie festgestellt haben, dass die Zeit stark verallgemeinert in Sitzungswochen und sitzungsfreie Zeiten eingeteilt sind – der Takt des Parlamentsbetriebs. 

Eine Sitzungswoche läuft eigentlich immer gleich ab. Je nach persönlicher Vorliebe und Anreisewegdauer kommen die Abgeordneten am Sonntagabend oder Montagvormittag in Berlin an und nehmen gegen Abend die ersten Termine in Präsenz Berlin wahr. Manche Fachgruppen treffen sich auch schon, um die Schlachtpläne für die Woche zu besprechen – so etwas geht meist besser, wenn man sich sieht. Dienstags finden sich die Arbeitsgruppen der Fraktionen zusammen und bereiten die wichtigen Fraktionssitzungen vor und am Nachmittag findet die ritualisierte „Fraktionsebene“ statt. Hier geben die Fraktionsspitzen der Reihe nach kurze Stellungnahmen – oder Statements – für die Presse ab. 

Es wird stressig

Im Anschluss wird weitergetagt. Die Fraktionssitzungen laufen. Je nach Fraktion und Tradition ist das wie eine Messe, in der die Abgeordneten die Zielrichtung für die laufende Sitzungswoche von der Fraktionsspitze erörtert bekommen, wichtige Termine besprochen werden und auch der ein oder andere Diskurs statt findet. Selbstverständlich läuft das alles hinter dicken verschlossenen Türen ab, manchmal bleiben die Fenster ab offen. 

Ist der Dienstag einigermaßen gut überstanden, fängt die wirklich schwere Arbeit an: Mittwochs sind die Ausschusssitzungen im Paul-Löbe-Haus, das aufgebaut ist wie ein V8 Motor – das Vorzeigestück deutscher Ingenieurskunst in den 90er Jahren. Diese Sitzungen können diffizil sein und Streit zu Tage fördern, um den guten Austausch zu fördern und keine Diskussionen zu verhindern, sind auch diese nicht öffentlich. Meist sind auch noch Akteure aus der Leitungsebene des jeweilig gespiegelten Ministeriums geladen – Staatssekretäre und seltener auch Minister. Die Abgeordneten kommen zwar mit ihren Mitarbeitern und reden manchmal danach auch über die Inhalte, aber wirklich willkommen sind Außenstehende nicht. Informationen werden hier an Eingeweihte gesteuert gestreut. Je nach dem wie der Bundestag gerade verfasst ist, schließen sich dann Sondersitzungen, Anhörungen, Untersuchungsausschüsse oder andere Sitzungen an. Parallel wird gegen 13:00 Uhr im Reichstag mit der Eröffnung der Tagesordnung im Plenum begonnen. Erstmal kommen die Formalia auf den Tisch der Abgeordneten, etwa die Bestätigung der Tagesordnung, Änderungen zur Tagesordnung, Feststellung der Beschlussfähigkeit, Geburtstagsgrüße, Krankmeldungen, etc. 

Doch wieder lange Tage

Vor einigen Jahren beschloss das Parlament, dass es nicht mehr all zu lang arbeiten wolle und die Sitzungsdauer begrenzt werden soll. Das hat ein paar Monate lang geklappt und war nicht unumstritten. Inzwischen können die Sitzungen wieder bis in den Abend hinein dauern. Müssen keine Reden gehalten oder Abstimmungen getroffen werden, treffen sich Abgeordnete, Journalisten, Lobbyisten und deren Mitarbeiter bei einem der vielen Abendveranstaltungen im Regierungsviertel. Dort kommt man sich informell auf allen Ebenen und dem gesamten politischen Spektrum näher und legt wichtige Grundlagen für die übrige Zusammenarbeit. Mittwoch ist für Kontaktpflege da und sollte nicht unterschätzt werden. Hier kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden: Die Langebleiber und die Frühgeher. Beide Gruppen haben ihre Vorzüge und im Laufe einer Karriere ändern sich die Zugehörigkeiten auch. Der Salonlöwe, der bis zur Sperrstunde der Berliner S-Bahn bleibt trifft halt mehr Leute und kann mit einer mathematischen Potenz anbandeln. Wohingegen der, der früher geht meist stärker im Gedächtnis bleibt und auch gern bis zum Schluss eine gern umworbene Gestalt bleibt. 

Nun, ist auch der Mittwoch geschafft, beginnt der Donnerstag. Hier sollte man sich vernünftig vorbereiten, denn das Plenum läuft von morgens um 9:00 Uhr an uns kann auch schon mal bis nachts um 3:00 Uhr laufen. Natürlich ist solange kaum noch jemand im Plenarsaal und man hofft seine Rede dem Protokoll übergeben zu können, wenn man spät dran ist. Tagsüber werden die Dinge verhandelt, die Aufmerksamkeit bekommen sollen: Regierungserklärungen, das nächste große Gesetzespaket, aktuelle Stunden. Im Vorfeld findet ein gewisses Ringen um die Reihenfolge der Tagesordnung statt – je nach dem, ob man ein Thema vor den Redaktionsschlussterminen der Abend-Newsletter, Tages- und Fachzeitungen oder den Übertragungen der Fernsehsender retten will oder es bewusst ins gleißende Licht der Scheinwerfer werfen will. Manchmal gewinnt man, manchmal verliert der andere. Gegen Abend sind die wichtigsten Entscheidungen häufig getroffen und die Meute macht sich wieder bereit für einen parlamentarischen Abend, einen Empfang oder ähnliche Events. Wer will, kann auch zum Warmwerden einen Fachtermin wahrnehmen und mit seinem Fachwissen zum Thema glänzen. Warum auch nicht? Es heißt wieder Visitenkarten austauschen, Hände schütteln, Schultern klopfen und immer einigermaßen gut im Thema sein. Das sind schließlich keine vergnüglichen Termine, sondern Arbeitszeit.

Ab ins Wochenende

Freitage sind kurz: Hier macht zwar nicht ganz jeder um eins sein, aber um vier ist auch eigentlich keiner mehr hier. Legen Sie sich also ein paar angenehme Termine zum Ausklang der Woche. Fachgespräche der Fraktion, Fototermine und Interviews sind am Freitag gut platziert, denn man kann den Tag gut planen und wenn doch etwas dazwischen kommt, hat jeder ein bisschen Zeit zu warten. Ist das alles geschafft, wartet für Abgeordnete der Fahrdienst zum Flughafen oder zum Hauptbahnhof. Alle anderen, die die Stadt gen Heimat verlassen wollen tun es gleich und steuern mit den typischen Verkehrsmitteln gen Autobahn, Flughafen oder Bahnhof. Generell hat die Bundestagspolizei ab 15:00 Uhr nicht mehr viel zu tun. Die Gänge sind ruhig, die Telefonkabinen leer und die Taxis bereits sich auf die Partytouristen vor.

Die Sitzungswochen findet man im Sitzungskalender, der zu Beginn des Jahres in nahezu allen Büros der Hauptstadt aufgegangen werden. In jedem Jahr rotiert die Farbe zwischen pink, blau und grün. Man bekommt den Kalender in allerlei Formaten im Bestellservice des Bundestages oder bei den Infostellen und natürlich ist er auch als unhandliches PDF online

Patrick Pehl
Patrick Pehl
Patrick Pehl spielte eine zentrale Rolle bei der Aufarbeitung der Berateraffäre im Bundestag, insbesondere als führender Chronist des Untersuchungsausschusses. Als freier Journalist begleitete er den Ausschuss intensiv und berichtete umfassend über jede Sitzung. Pehl ist bekannt für seine detaillierte Parlamentsberichterstattung und hat sich den Spitznamen "Mister PUA" (Parlamentarischer Untersuchungsausschuss) verdient. Er initiierte auch einen Podcast zur Berateraffäre, in dem er die Entwicklungen des Ausschusses einem breiteren Publikum zugänglich macht. Seine Arbeit erfordert ein tiefes Verständnis der politischen Strukturen, das er durch jahrelange Erfahrung erlangt hat.