Biomassepaket, Bürokratie, Energiewende: Vanessa Zobel (CDU) aus Bremervörde in Niedersachsen ist Energiepolitikerin und Berichterstatterin für Biomasse, Mit ihr sprach ich über über Flexibilisierung, Förderung und den Konflikt mit marktwirtschaftlichen Prinzipien.
Vanessa Zobel kommt mit schnellem Schritt und freundlich strahlendem Gesicht den Gang zu ihrem Büro in der sechsten Etage des Paul-Löbe-Hauses hinunter gelaufen. Sie kommt an diesem Nachmittag von einer ihrer vielen Berichterstatterrunden. „Viel zu tun“, sagt sie, während sie routiniert den passenden Blazer von einer Kleiderstange auswählt und überwirft. Erst seit wenigen Monaten ist die CDU-Abgeordnete im Büro angekommen, in den Wänden sind noch die Löcher von der Wand vom vorherigen Benutzer des zugewiesenen Raums – die Kunstabteilung war noch nicht da, um sie zu überdecken. Die Sonne streift draußen die Spree und ein Herbstwind lässt die Sichtblenden am großen Fenster rasseln – Transparenz ist gewünscht.
Als Berichterstatterin für Bioenergie kennt Zobel die intrikate Gemengelage der deutschen Energiepolitik genau: Das Desiderat grundlastfähiger erneuerbarer Energiequellen beschäftigt sie täglich im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Mit ihrem Kommunikationsreferenten fühlt sie sich gewappnet, die Fragen zu beantworten. Noch geht nicht alles einfach über die Lippen, doch die 37-jährige gelernte Bankkauffrau weiß, worum es geht. Auch politisch kennt sie die Untiefen, denn sie hat kommunal lange Verantwortung übernommen. Berlin ist ein eigener Kosmos, aber sie hat die richtigen Netzwerke gefunden.

Korrespondent Patrick Pehl: Frau Zobel, die EU hat das Biomassepaket genehmigt – Sie sprechen von einem „Befreiungsschlag“. Was bedeutet das konkret für einen Landwirt mit einer Biogasanlage?
Vanessa Zobel: Es bedeutet eine klare Zukunftsperspektive. Wir sind dankbar, dass das Biomassepaket eins endlich da ist. Die EU hatte unser Paket lange nicht genehmigt. Das war für viele Anlagenbetreiber, die im Oktober an der nächsten Ausschreibung teilnehmen mussten, wirklich existenzbedrohend, weil sie sich darauf verlassen hatten. Eine Garantie kann ich natürlich nicht geben, aber ich arbeite daran, dass man ihnen überhaupt zuhört und hilft.
Patrick Pehl: Das Paket sieht strengere Flexibilisierungsanforderungen vor – überfordert das nicht gerade kleinere landwirtschaftliche Betriebe?
Vanessa Zobel: Viele Anlagen haben sich auf die Flexibilisierung bereits eingestellt und machen es heute. Für die anderen ist es der Ausblick, weil es für die Flexibilisierung einen Zuschlag gibt, zu sagen: Das ist mein Weg in die Zukunft. Das schafft Verlässlichkeit. Der Staat sagt mir, ich darf meine Biogasanlage weiter betreiben und bekomme noch etwas, wenn ich flexibel schalten kann. Für kleinere Anlagen braucht es eine geeignete Regelung im Rahmen eines zweiten Biomassepakets.

Patrick Pehl: Sie fordern bereits ein „Biomassepaket 2.0“ für auslaufende Altanlagen – wie passt das zur CDU-Forderung nach Ausgabendisziplin?
Vanessa Zobel: Ein Biomassepaket 2.0 ist kein Widerspruch zu Ausgabendisziplin – im Gegenteil. Es ist schlicht günstiger und sinnvoller, bestehende Anlagen zu ertüchtigen und ihnen Planungssicherheit zu geben, anstatt später noch mehr Gaskraftwerke bauen zu müssen, als ohnehin geplant. Das Ziel ist, dass wir dahin kommen, dass wir die Anlagen, die vorher auf zehn Jahre liefen, auf zwölf Jahre haben und perspektivisch hoffentlich mit gemeinsamer Kraft auf 15 Jahre strecken. Wir haben im Berichterstattergespräch darüber gesprochen, was den Maisdeckel betrifft. Diese Vermaisung, die wir damals in den Anfangszeiten hatten, sehen wir heute bei weitem nicht mehr. Mit den Regelungen der Düngeverordnung, mit der Fruchtfolge, sehe ich das nicht mehr als Problem.
Systemdienlichkeit: Biogas als „erneuerbares Schnellboot“
Patrick Pehl: Sie bezeichnen Biogasanlagen als „erneuerbares Schnellboot“ der Kraftwerksstrategie – was meinen Sie damit konkret?

Vanessa Zobel: Ein Schnellboot ist flexibel und schnell einsetzbar, wie Biogas. Weil wir die Anlagen bereits haben. Und viele davon haben sich auf die Flexibilisierung eingestellt. Wir geben den Biogas-Betreibern die Möglichkeit zu sagen: Ihr müsst flexibel sein. Ihr müsst die Anlagen hochfahren können, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint und andersherum wieder abschalten können, wenn wir Überproduktion haben. Das ist für mich ein Schnellboot, weil es vorhanden ist. Ich muss es nicht neu bauen, es ist da.
Patrick Pehl: Wie bewerten Sie die Rolle von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche bei der Bioenergie-Politik?
Vanessa Zobel: Katherina Reiche ist Energieministerin, die nach ihrem Monitoring natürlich Lösungen umsetzen muss. Der Sinn und Zweck des Monitorings war, kosteneffizient zu arbeiten – in dem Bereich sparen wir ein, auf der anderen Seite nehmen wir das Pfund, was wir haben, in dem Fall unsere Biogasanlagen. Da geben wir denen einen Zuschlag für die Flexibilisierung. Wir müssen zweigleisig fahren, bis die Gaskraftwerke gebaut sind. Da ist es so, dass wir noch mindestens ein Jahrzehnt brauchen, bis die stehen. Und was machen wir in dem Jahrzehnt? Unsere Biogasanlagen.
Patrick Pehl: Aber Bundesfinanzminister Lars Klingbeil von der SPD muss den Subventionen und Zuschlägen noch zustimmen – die sind schließlich haushaltswirksam.
Vanessa Zobel: Lars Klingbeil hat den Wahlkreis genau neben mir gewonnen. Ja, wir haben ein Ausgabenproblem, das sehe ich. Aber wenn der Kanzler sagt, nur das Priorisierte wird umgesetzt, müssen wir eben aufzeigen, dass Biogas kosteneffizient ist. Wir nehmen das Pfund, was wir haben, und geben vielleicht 100 Euro für die Flexibilisierung dazu, statt neue Gaskraftwerke für Milliarden zu bauen.
Patrick Pehl: Welche technischen Umrüstungen müssen Landwirte dafür vornehmen und was kostet das?
Zur Person Vanessa Zobel
ZUR PERSON VANESSA ZOBEL
Vanessa Zobel ist direktgewählte CDU-Bundestagsabgeordnete und stammt aus einer Unternehmerfamilie im niedersächsischen Bremervörde. Sie ist konfessionslos, verheiratet mit einem Berufssoldaten aus Seedorf und Mutter zweier Kinder. Ihre Eltern betreiben ein Autohaus mit angeschlossener Kfz-Werkstatt.
Nach dem Fachabitur begann sie 2007 ihre Ausbildung zur Bankkauffrau und arbeitete insgesamt 17 Jahre im Bankwesen, zuletzt als Baufinanzierungsberaterin bei der Volksbank Osterholz Bremervörde. Ihre berufliche Qualifikation umfasst zudem eine Fortbildung zur IHK-geprüften Wirtschaftsfachwirtin.
Politisch ist Zobel seit 2016 Mitglied der CDU, zog im selben Jahr in den Stadtrat von Bremervörde und wurde Ortsbürgermeisterin von Mehedorf. Sie ist außerdem stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Bremervörde und Beisitzerin im CDU-Kreisvorstand Rotenburg (Wümme). 2024 wurde sie als Direktkandidatin der CDU für den Wahlkreis Stade I – Rotenburg II aufgestellt und gewann die Bundestagswahl 2025 deutlich. Parteiintern ist sie auch im Vorstand der Frauen Union aktiv.
Zobel setzt sich besonders für die Themen Finanzen, Wirtschaft sowie Verteidigung und die Stärkung des ländlichen Raums ein.
Vanessa Zobel: Das ist natürlich noch eine schwierige Situation, wo wir schauen müssen, ob wir das Paket, was jetzt rausgekommen ist, noch irgendwie anfassen müssen, um eine Übergangslösung einzuflechten. Die Anlagenbetreiber hätten erst im März bewerben müssen und hätten viel mehr Zeit gehabt, um die Auflagen umzusetzen. Jetzt müssen sie das kurzfristiger schaffen. Damit die Anlagen flexibel Strom liefern können, brauchen sie zusätzliche Gas- und Wärmespeicher und moderne Steuerungstechnik. Dann können sie einspeisen, wenn wir es brauchen: während Dunkelflauten.
Patrick Pehl: Funktioniert Biomasse als Grundlastversorgung für energieintensive Industrie?
Vanessa Zobel: Es geht darum, dass wir nicht so viel importieren müssen und uns nicht so abhängig machen von unseren Nachbarstaaten. Alles, was wir nicht importieren müssen, ist ein Gewinn. Und wenn unsere Biogasanlagen, die bereits existent sind, da einen Beitrag leisten können, umso besser.
Photovoltaik in Konkurrenz
Patrick Pehl: Warum setzen Sie nicht stärker auf Photovoltaik oder mehr Wind statt auf Biomasse?

Vanessa Zobel: Wir brauchen beides. Photovoltaik und Wind sind super, aber eben nicht flexibel, Biomasse schon. Es heißt Photovoltaik, Wind und Biomasse, nicht oder. Abgesehen davon bin ich noch nicht überzeugt, dass wir diese Freiflächen-Photovoltaik auf landwirtschaftliche Flächen draufpacken sollten. Das ist etwas, wo ich sage, das mag meine persönliche Einstellung sein, aber ich sehe das erstmal zweitrangig. Davor sollten wir die Bebauung auf den Dächern weiter forcieren. Da haben wir so viele Dächer, wo etwas gemacht werden könnte. Beim Windausbau sind wir dabei. Meine beiden Landkreise im Wahlkreis haben beide vier Prozent der Fläche für Windenergie vorgelegt bekommen. Das wird sportlich.
Patrick Pehl: Wie bewerten Sie Agri-Photovoltaik – die Kombination von Landwirtschaft und Solarenergie?
Vanessa Zobel: Da bin ich noch nicht überzeugt von Freiflächen-Photovoltaik. Ich finde, da sollten wir viel mehr in Richtung Dachflächen gehen. Es gibt die Pachtgeschichten – man muss es nicht selber machen, wenn man das Geld dafür nicht hat. Aber es gibt die Möglichkeit, die Dachflächen zu vermieten.
Patrick Pehl: Welche Rolle sehen Sie für Moornutzung und Paludikulturen in der Energiewende?
Vanessa Zobel: Das ist eine super Alternative beziehungsweise Ergänzung. Moore binden CO2 und tragen so zum Klimaschutz bei. Ein tolles Beispiel aus meiner Region ist „Zukunft Moor“, die haben sich bei uns gegründet, Haus gekauft, Flächen gepachtet. Die haben gerade die ersten Anbauten vor ein paar Wochen eröffnet – ich habe mit angepflanzt. Es war eine freie Entscheidung des Landwirts zu sagen: Ich finde die Idee richtig gut, ich gebe dir meine Fläche über Zeitraum X, versuch dich hier.
Patrick Pehl: Sehen Sie Biomasse in Konkurrenz zu anderen erneuerbaren Energien?
Vanessa Zobel: Es erfüllt einen anderen Zweck. Wind und Sonne haben wir schönerweise, wenn wir das haben, aber wir haben es nicht immer, Stichwort Dunkelflaute. Gerade im Winter, wenn die Sonne nicht so viel scheint, brauchen wir viel Wärme. Biomasse hat einen sehr hohen Anteil an Wärme. Das ergänzt sich. Wir reden von Sektorenkopplung, und das, was immer oben drüber steht unter dem Biomassepaket, ist die Flexibilisierung.

Finanzierung und marktwirtschaftliche Widersprüche
Patrick Pehl: Sie sind MIT-Mitglied und fordern mehr Marktwirtschaft – gleichzeitig kämpfen Sie für Milliarden-Subventionen für Biogas. Wie passt das zusammen?
Vanessa Zobel: Es ist heute leider nicht möglich, dass die meisten Anlagen, die sich nicht so weit weiterentwickelt haben, ohne Förderung kalkulieren können. Wenn wir darauf angewiesen sind, um die Importe aus dem Ausland zu minimieren, finde ich das das kleinere Übel. Dann kann ich die heimische Wirtschaft fördern, wo Menschen arbeiten. Wir haben das Problem, dass wir die Gülle irgendwo lassen müssen, dass wir sie nicht alle auf die Felder bringen wollen.
Patrick Pehl: Müssten die Betreiber nicht einfach selbst investieren, wenn es sich rechnet?
Vanessa Zobel: Man kann keine Klimawende fordern, aber nicht unterstützen. Bei den Baukosten heute ist es kaum möglich, wenn die nicht mit einer Förderung kalkulieren. Wenn wir die Energie importieren müssen, wollen die Nachbarländer Geld von uns haben. Dann kann ich aber die heimische Wirtschaft fördern, wo Menschen arbeiten, die da sind. Es hat einen Rattenschwanz – das Umweltrecht, das Baurecht.

Kommunale Wärmeplanung und Nahwärme
Im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, einer Liegenschaft des Bundestages, in der die wissenschaftlichen Dienste und die Parlamentsbibliothek untergebracht sind, lässt auch Zobel nach Antworten suchen.
Im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, einer Liegenschaft des Bundestages, in der die wissenschaftlichen Dienste und die Parlamentsbibliothek untergebracht sind, lässt auch Zobel nach Antworten suchen.
Patrick Pehl: Wie bewerten Sie die kommunale Wärmeplanung für Biomasseanlagen?
Vanessa Zobel: Das ist ein Grund, warum wir gesagt haben, wir müssen die Laufzeit von zehn auf zwölf Jahre, vielleicht sogar auf 15 Jahre setzen. Weil die Wärmeplanung länger läuft und die sind gebunden. Wir können nicht sagen, die Biomasseanlage läuft nach der Hälfte der Zeit aus und wir wissen nicht, was danach ist.
Patrick Pehl: Funktionieren Nahwärmenetze in Ihrem Wahlkreis?
Vanessa Zobel: Wenn ich an Mahlstedt denke, da wird das ganze Dorf von der Biogasanlage beheizt. Wir haben Anlagen, die sagen: Wir legen jetzt die Leitung auf eigene Kosten und haben unser Freibad mit dran, die Grundschule und den Kindergarten heizen wir mit. Es ist einfach von der Region für die Region. Es soll nicht urweit transportiert werden.
Politische Zeitplanung
Patrick Pehl: Haben Sie einen konkreten Zeitplan für das Biomassepaket 2.0?
Vanessa Zobel: Es wäre schön, wenn wir bis zum Ende des Jahres Nägel mit Köpfen haben, dass wir unsere Punkte soweit haben und den Fahrplan, wie wir damit umgehen. Ob das realistisch ist, müssen wir sehen. Wir werden uns jetzt mit den Berichterstattern der SPD in den nächsten Sitzungswochen zusammensetzen. Soweit wir geschaut haben, sind wir mit der SPD auf derselben Schiene mit unseren Punkten.
Patrick Pehl: Mit wem arbeiten Sie konkret zusammen?
Vanessa Zobel: Ich bin Berichterstatterin gemeinsam mit Hans Koller von der CSU. Und stellvertretend ist Maria-Lena Weiß dabei. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe und einen kleinen Fahrplan gemacht, welche Punkte uns besonders wichtig sind für 2027 – wie gehen wir mit dem Maisdeckel um, wie mit den allgemeinen Laufzeiten. Nina Scheer, die Berichterstatterin der SPD, habe ich kennengelernt, mit ihr werden wir uns natürlich austauschen.
Netzanschluss und Stromsteuer-Problematik
Patrick Pehl: Die Netzanschlusskosten belasten viele Betreiber – welche konkreten Verbesserungen fordern Sie?
Vanessa Zobel: Das ist ein Dauerthema. Wir brauchen klare Regeln beim Netzanschluss und müssen schauen, wie wir das kosteneffizienter hinbekommen. Wir haben über 850 Netzbetreiber in Deutschland. Die meisten mit eigenen Prozessen. Heute ist nicht einmal geregelt, ob, wann und wie die Betreiber Rückmeldung geben müssen. Das belastet die Betreiber zusätzlich zu den ohnehin hohen Investitionen. Hier bin ich mit dem BMWE im Austausch. Mir wurde zugesagt, dass wir das nächstes Jahr ändern. Ich bleibe dran!
Patrick Pehl: Lars Klingbeil hat gesagt, dass alles über 2 Megawatt Leistung nicht mehr nachhaltig sein soll – was bedeutet das für Biomasseanlagen?
Vanessa Zobel: Das wäre inakzeptabel, das würde bedeuten, dass das Grüne Label entfällt. Das würde die Anlagen steuerlich mit Gas- und Kohlekraftwerken gleichstellen. Ein energiepolitischer Irrweg. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir diesen Fehler im parlamentarischen Verfahren einfangen. Biomasse gehört zu den erneuerbaren, ob über oder unter 2 Megawatt.
Kommunale Finanzierung und Bürokratie

Patrick Pehl: Sie fordern „wenn der Bund Leistungen fordert, muss er sie auch bezahlen“ – auf welche Bereiche bezieht sich das konkret?
Vanessa Zobel: Das ist ein Grundsatz, den ich aus der Kommunalpolitik kenne. Als Ortsbürgermeisterin sehe ich, wie viele Aufgaben vom Bund mandatiert werden, aber die Finanzierung bleibt bei den Gemeinden hängen. Das betrifft Infrastruktur, soziale Aufgaben, die Energiewende vor Ort.
Patrick Pehl: Sie fordern Bürokratieabbau – wo hakt es konkret bei Energieprojekten?
Vanessa Zobel: Ein wahnsinniges Problem ist immer das Baurecht. Man hat zwar die ganze Zeit Ideen, wie man die Wärmewende hinkriegt, wie man Grundlastfähigkeit hinbekommt, aber am Ende hängt es an den ganz praktischen Sachen. Ich kriege keine Baugenehmigungen, ich kriege keine Anschlussgenehmigungen. Da finde ich es wichtig – ich habe das Vertrauen in unsere Rathäuser und Kreishäuser vor Ort. Die kennen meine Straße, die müssen sich das nicht über Google Maps angucken.
Patrick Pehl: Wie soll Vereinfachung konkret aussehen?
Vanessa Zobel: Ich lege große Stücke auf unsere Bauministerin – SPD übrigens. Weil sie das für den normalen Wohnbau und Häuserbau genauso vorhat. Das wird alles bei unseren Landkreisen entschieden und genau da setzt jetzt der Bauturbo an. Wenn da die Erleichterung in den Bausektor geht und Bürokratie wegfällt, kann man das weiterführen. Wir müssen erst mal anfangen etwas zu machen.

Regionale Wertschöpfung
Patrick Pehl: Was bedeuten Biogasanlagen für die Kommunen?
Vanessa Zobel: Unsere Biogasbetreiber sind mit die größten Steuerzahler in manchen Gemeinden. Das darf man gar nicht unterschätzen. Davon werden unsere Kitas gebaut und unsere Spielplätze saniert. Und was wir sonst in der Gemeinde noch für Probleme haben. Unabhängig davon will ich die Energiewende und bin klar der festen Überzeugung, dass wir das nur schaffen, indem wir den Bestand, den wir haben, dafür nutzen und den nicht abreißen. Weil das auf jeden Fall klimaschädlich ist – der Beton ist einmal gegossen.
Patrick Pehl: Welche Rolle spielt Biomasse für die Landwirtschaft?
Vanessa Zobel: Für unsere Landwirte ist es eine gute Ergänzung. Die Höfe werden in den nächsten Jahren eher weniger als mehr. Und wenn der eine oder andere sich durch seine Biogasanlage seine bevorstehende Rente aufbessern kann, sei ihm das gegönnt.
RED III und Bioenergie
Patrick Pehl: Wie bewerten Sie die Treibhausgasminderungsvorgaben von 80 Prozent ab 2026 für Biogasanlagen – sollte die Bundesregierung den möglichen Bestandsschutz bis 2030 voll ausschöpfen, um Landwirten Planungssicherheit zu geben?
Vanessa Zobel: Das grundsätzliche Ziel ist richtig, Klimaschutz braucht ambitionierte Vorgaben, im Bereich Biomasse. Realismus und Umsetzbarkeit müssen in der Gleichung aber vorkommen. 80 Prozent ab 2026 ist für viele Bestandsanlagen nicht einfach. Bis 2030 sollten wir den Bestandsschutz voll ausschöpfen, um möglichst faire Übergangsfristen und Planungssicherheit zu gewährleisten. Wir brauchen Biomasse, um Versorgungssicherheit und Klimaschutz gemeinsam zu erreichen.

Patrick Pehl: RED III bringt komplexe Bilanzierungs- und Dokumentationspflichten für landwirtschaftliche Biogasanlagen. Wie kann die Balance zwischen Nachhaltigkeitsanforderungen und dem von Ihnen geforderten Bürokratieabbau aussehen?
Vanessa Zobel: Ja, wir brauchen Transparenz und klare Nachhaltigkeitsstandards, aber wir brauchen praxistaugliche Lösungen. Das heißt: weniger Doppelmeldungen, digitale Vereinfachungen und einheitliche Nachweiswege. Unsere Landwirte sollen ihre Zeit nicht mit Formularen verbringen müssen. Aus der Branche höre ich, dass mit RED III wieder ein Bürokratieungetüm zusammengekleistert wurde. In meinen Reden lehne ich das regelmäßig ab. Jetzt bin ich live dabei wie eins entsteht. Es ist zum Mäuse melken. Ich bin da eng mit Stefan Rouenhoff in Kontakt, der kennt Brüssel in- und auswendig und stemmt sich gegen diese Übertreibungen.

Das Interview führte ich im September 2025 als Hauptstadtkorrespondent und verantwortlicher Redakteur für das Politik-Ressort der dfv Mediengruppe in Berlin. Es galt das gesprochene Wort.





