Bundeswehr-Berateraffäre

Trugbild Verteidigung: Die Bundeswehr und das Scheitern am Schreibtisch

Statements Eröffnungssitzung des Berateraffäre-Untersuchungsausschuss, der Journalist und Berichterstatter Patrick Pehl ist ganz links im Pulk der Reporter zu sehen. // CC-BY Kenny S. Dettmers

Derzeit läuft im Bundestag ein Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre in der Bundeswehr. Es wird offenbar, dass die Truppe, die das Land beschützen soll im Verwaltungsgraben stecken geblieben ist und sich nicht mehr selbst befreien kann. Die Soldaten brauchen einen Aufwuchs, mehr Vertrauen und angesichts der steigenden Gefahr im Osten. Nur ein Kommentar aus dem Ledersessel.

Der anhaltende Konflikt in der Ostukraine stellt die europäische Sicherheitsarchitektur vor eine Bewährungsprobe von historischem Ausmaß. In diesem Kontext kommt der Bundesrepublik Deutschland als wirtschaftlich stärkstem Mitgliedsstaat der Europäischen Union eine Schlüsselrolle zu. Doch inwiefern ist die Bundeswehr, als zentrales sicherheitspolitisches Instrument der Bundesregierung, in der Lage, den aus dieser Rolle erwachsenden Anforderungen gerecht zu werden?

Besorgnis ist allenthalben groß

Die gegenwärtige Verfassung der Bundeswehr gibt Anlass zu ernster Besorgnis. Die chronische Unterfinanzierung der Streitkräfte, die sich über Jahre hinweg manifestiert hat, zeitigt nun ihre Folgen in Form von gravierenden Ausrüstungs- und Materialdefiziten. Der Modernisierungsstau erstreckt sich über sämtliche Teilstreitkräfte und beeinträchtigt die Einsatzbereitschaft in einem Maße, das mit dem Selbstverständnis Deutschlands als verlässlicher Partner in NATO und EU schwerlich in Einklang zu bringen ist.

Neben der materiellen Dimension offenbart sich eine nicht minder problematische personelle Situation. Die Bundeswehr sieht sich mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Bindung qualifizierten Personals konfrontiert. Dies ist einerseits dem demographischen Wandel und dem damit einhergehenden verschärften Wettbewerb um Fachkräfte geschuldet, andererseits aber auch hausgemachten Problemen wie einer als unattraktiv wahrgenommenen Vergütungsstruktur und mangelnden Aufstiegschancen.

Verwaltung statt Attacke

Zu diesen strukturellen Defiziten gesellt sich eine Verwaltungskultur, die von überbordender Bürokratie und ineffizienten Entscheidungsprozessen gekennzeichnet ist. Die jüngst ans Licht gekommene Berateraffäre im Bundesministerium der Verteidigung ist hierfür symptomatisch. Sie legt nicht nur ein bedenkliches Maß an Misswirtschaft offen, sondern nährt auch den Verdacht der Vetternwirtschaft und untergräbt damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der militärischen Führung.

Angesichts dieser Gemengelage stellt sich die Frage, welchen Beitrag die Bundeswehr zur Lösung des Konflikts in der Ostukraine zu leisten vermag. Die diplomatischen Bemühungen im Rahmen des Normandie-Formats, an denen Deutschland maßgeblich beteiligt ist, bedürfen zur Untermauerung ihrer Glaubwürdigkeit eines militärischen Pendants. Doch die Fähigkeit der Bundeswehr, im Ernstfall als effektives Druckmittel zu fungieren oder gar militärisch zu intervenieren, muss angesichts der skizzierten Probleme als äußerst begrenzt eingeschätzt werden.

Gefahr in Russland und Ukraine bräuchten mehr von allem

Die gegenwärtige Rolle der Bundeswehr im Kontext des Ukrainekonflikts beschränkt sich weitgehend auf die Beteiligung an Aufklärungsmissionen und die Bereitstellung logistischer Unterstützung für die OSZE-Beobachtermission. Wenngleich diese Beiträge nicht zu unterschätzen sind, bleiben sie doch weit hinter dem zurück, was von einer Armee des bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Landes Europas erwartet werden könnte.

Eine substantielle Aufstockung des deutschen militärischen Engagements in der Region erscheint unter den gegebenen Umständen illusorisch. Vielmehr steht zu befürchten, dass die Bundeswehr auch weiterhin primär damit beschäftigt sein wird, ihre internen Probleme zu bewältigen und ihre grundlegende Funktionsfähigkeit sicherzustellen.

Diese ernüchternde Bilanz sollte als Weckruf verstanden werden. Eine nachhaltige Lösung des Konflikts in der Ostukraine erfordert ein kohärentes und entschlossenes Auftreten der Europäer. Deutschland kann und muss hierbei eine Führungsrolle einnehmen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Bundeswehr in die Lage versetzt wird, ihrer sicherheitspolitischen Verantwortung gerecht zu werden.

Es bedarf daher dringend einer umfassenden Reform der Streitkräfte, die weit über kosmetische Korrekturen hinausgeht. Diese muss eine signifikante Erhöhung des Verteidigungshaushalts ebenso umfassen wie eine Straffung und Entbürokratisierung der Verwaltungsstrukturen. Zudem gilt es, innovative Konzepte zur Personalgewinnung und -bindung zu entwickeln und konsequent umzusetzen.

Nur wenn es gelingt, die Bundeswehr zu einem modernen, leistungsfähigen und attraktiven Arbeitgeber zu entwickeln, wird Deutschland in der Lage sein, seiner Verantwortung als Stabilitätsanker in Europa gerecht zu werden und einen substanziellen Beitrag zur Lösung von Konflikten wie jenem in der Ostukraine zu leisten. Die Zeit drängt, denn die geopolitischen Herausforderungen an der östlichen Flanke Europas dulden keinen weiteren Aufschub.